Lustspiel von Georg Büchner
mit Musik von Herbert Grönemeyer
Eine Liebesheirat wäre es zwischen dem gelangweilten Prinz Leonce von Popo und der melancholischen Prinzessin Lena von Pipi nicht geworden. Denn persönlich sind sich die beiden nie begegnet. Von den Hochzeitsplänen ihrer Königshäuser in die Ecke gedrängt, entschließen sich beide zur Flucht ins sonnige Italien. Wie es das Schicksal will, lernen sich die betrübten Königskinder auf ihrer Reise kennen und lieben und treten, einander unerkannt, in den Bund der Ehe ein.
Maskiert hinter einer unterhaltsamen Liebesromanze versteckt Georg Büchner in seinem einzigen Lustspiel Kritik gegen den Hofadel und dessen Lethargie und zeigt Chancenungleichheiten, die sich hinter den Herrschaftsstrukturen auftun. 2003 vertonte Herbert Grönemeyer für das Berliner Ensemble die Gefühlszustände von Büchners Protagonisten und begleitet so den Prinzen und die Prinzessin auf ihrer Schicksalsreise. Auch Regisseurin Astrid Griesbach bringt nun Büchners Text und Grönemeyers Klänge zusammen. In einem schwelgend-romantischen und poppig-grellen Bühnenbild à la Andy Warhol treffen majestätische Handpuppen aufeinander und fragen nach dem Sinn und Unsinn des Lebens.
Liedtexte von Herbert Grönemeyer und Arezu Weitholz
Presse
Westfälischer Anzeiger / Anke Demirsoy
»Dieses Stück kommt aus der Konserve. Genauer gesagt aus einer Campbell’s Dose, die zu Beginn der Premiere einsam auf der Bühne steht und schließlich geöffnet wird. Andy Warhol lässt grüßen, kurz darauf übrigens auch der Maler Piet Mondrian, dessen Bilder womöglich die Kostümbildnerin Hedi Mohr inspiriert haben. Psychedelisch gemusterte Kleidchen und mintgrüne Strumpfhosen tragen die vier Puppenspieler, die im kleinen Haus des Gelsenkirchener Musiktheaters eine besondere Version von Georg Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“ aufführen. Hinzu kommen Kopfbedeckungen, die der Raumschiff-Serie „Deep Space Nine“ entsprungen sein könnten. Im Kontrast dazu steht die graue Garderobe der Puppen, deren Hässlichkeit erlesen wirkt (Bau: Ursula Linke und Lisette Schürer). Auch die Requisiten öffnen ein Spannungsfeld: neongrüne Kissen einerseits, berühmte Gemälde aus Barock und Romantik andererseits. Was Regisseurin Astrid Griesbach in diesem Rahmen neu in Szene setzt, war ursprünglich eine Produktion des Berliner Ensembles, in der Altmeister Robert Wilson stark stilisierte Figuren zu Musik von Herbert Grönemeyer agieren ließ, eigens für diesen Anlass geschrieben. Griesebach geht nun noch einen Schritt weiter, indem sie Büchners Kritik an der Fremdsteuerung des Menschen durch das Puppenspiel augenfällig macht. Das Ergebnis ist eine zwischen Tiefsinn und Hanswurstiade schillernde Persiflage: surrealistisch überdreht, aber bissig genug, um auch unserer Zeit den Spiegel vorzuhalten. Da wird gestöhnt und geklagt, was das Zeug hält. Denn Prinz Leonce von Popo und Prinzessin Lena von Pipi sind derart saturiert und gelangweilt, dass sie sich selbst zum Hals heraushängen. Auch König Peter jammert, weil das Volk Führung braucht: „Ich muss für meine Untertanen denken, das ist immer so unangenehm
Es ist bei weitem nicht die einzige Textstelle, die das Publikum zum Glucksen bringt. Ein wenig Ausdauer ist indes auch gefordert, denn Büchners komplexe Sprache verlangt Konzentration. Grönemeyers Songs schaffen atmosphärische Verdichtung und bieten dem Geist erholsame Inseln. Über seine Eigenart, manchen Reim mit der Brechstange herbei zu biegen, lässt sich mit etwas gutem Willen hinweghören. Zu Hochform laufen die Darsteller auf. Dieses grandiose Quartett erledigt alles selbst, inklusive Tanz, Gesang und Bühnenumbau. Merten Schroedter (Leonce), Gloria Iberl-Thieme (Lena), Daniel Jeroma (Valerio) und Veronika Thieme (Gouvernante) führen die Puppen mit solcher Kunst, dass man der Illusion ihres Eigenlebens nahezu vollständig erliegt. Zudem ist der Witz ihrer temporeichen Dialoge perfekt getimt. Der Diener Valerio und die Gouvernante bilden den Gegenpol zu den Müßiggängern der herrschenden Schichten. Große Lust auf ihre Arbeit haben sie aber auch nicht. Gerne hätten sie ebenfalls zu viel Zeit, um über das Leben nachzudenken. Ach ja, es ist schon ein Jammer.«
© Fotos Sarah Wolters
König Peter von Popo / Die Gouvernante
Veronika Thieme
Prinz Leonce von Popo
Merten Schroedter
Lena von Pipi
Gloria Iberl-Thieme
Valerio
Daniel Jeroma
Inszenierung
Astrid Griesbach
Musikalische Einstudierung
Ruud Zielhorst
Puppenbau
Ursula Linke
Lisette Schürer
Bühne
Sarah Wolters
Kostüme
Hedi Mohr
Licht
Thomas Ratzinger
Ton
Fabian Halseband
Dramaturgie
Anna-Maria Polke
Ensembles
MiR Puppentheater